Mittwoch, 22. März 2017

Die verrückte Reise von Berlin nach Bremen von Keule und Peter

„Nicht all Zuviel“ sagte ich, als mein Ruderkamerad Peter Bock fragte, was ich von einer Rudertour von Berlin nach Bremen halte würde.
Die Erfahrung hatte uns bereits gelehrt, dass es auf dem Mittellandkanal für ein Ruderboot zu haarsträubenden Szenen kommen kann. Weil die Berufsschifffahrt offiziell 12 km/h und die Skippergilde 16 km/h fahren dürfen kommt es manchmal zu gefährlichen Mehrfachbegegnungen auf dem Kanal. Allerdings waren zwei Sahnehäubchen nicht zu verachten. Das waren die Tragbrücke über die Elbe, und die Tragbrücke über die Weser, also sagte ich für die Fahrt zu. Dazu ruderte ich den Iltis (Zweier ohne) von Rauchfangswerder zum Bootshaus der TiB- Oberspree und ließ ihn dort nach vorheriger Absprache mit der TiB über Nacht liegen.

Nachmittags am 12.08.2016 ging es dann los.
Boot rein; Gepäck rein; Proviant rein und noch schnell Getränke rein…
„Der liegt aber tief“ denke ich. Dann stiegen noch zwei weitere Ruderer ein. Donnerwetter - jede noch so kleine Welle fließt ungehindert in das winzige Boot und bis nach Bremen sind es immerhin noch 500 km.
Zum Glück lässt sich Peter überreden bei RV Wiking nochmal anzulegen. Dort wandern meine Getränke vom Heck in den Personalbereich, wo diese in den folgenden Tagen schnell dezimiert werden. Dann erreichten wir unser erstes Tagesziel in Klein-Machnow, wo ich noch ein großes Gepäckstück zurückließ, um dem kleinen Boot mehr Auftrieb zu verleihen. Wir waren Freitag nach Feierabend gestartet, weil wir die ersten Tage etwas in Eile waren, denn Peter hatte durch einen Geniestreich eine Genehmigung zur Überquerung der Elbe-Trogbrücke erhalten. Diese galt zwar nur für Montag den 15.08.2016 - somit galt "Volle Fahrt voraus".

Peter und der ILTIS

Zweiter Tag Plaue. Dort konnten wir telefonisch keinen Quartiermeister finden und schliefen in schönster warmer Sommernacht neben unseren Getränkeresten.
Tag 3: Paddelverein in Burg.
Und dann Tag Vier (Montag): Wir warten vor der Schleuse Hohenwarthe. Diese ist die letzte Barriere vor der Trogbrücke über die Elbe.
„Wir sind angemeldet“ sagt Peter. „ Seid ihr schon mal geschleust?“ fragt der Beamte. „Ja“ sagt Peter. „Wo ist denn Euer Boot? „Es ist das Kleine hinter uns“ .
„Bleiben Sie dran, ich muß mich erkundigen!“



Etwa eine Stunde später dürfen wir als letzte einfahren, aber nicht festmachen. Also trieben wir während der Schleusung hin und her, wobei unsere Position immer mit den Rudern korrigiert wurde. Und dann ging es los. Interessant war es gemeinsam mit Schifffahrt, in dem Fall 7-10 Meter Motoryachten, über die Elbe-Trogbrücke zu fahren. Die Spundwände sind nämlich voll glatt, und der Iltis (unser Boot) hüpfte mit uns wie ein Korken über die immer wieder zurückgeworfenen Wellen.

Fünf Kilometer misst der Kanal mit seiner Brücke. Ein Foto konnten wir nicht machen, denn es ist verboten anzuhalten und wir sind sowieso schon die Langsamsten.
So ging es direkt in den Mittellandkanal und dieser  wurde für einige Tage unsere Heimat. Sollte jetzt jemand denken die Tour wäre langweilig? Hierzu ein paar aufregende Wegdaten: Britzer-Zweigkanal; Teltowkanal; Sacrow-Paretzer-Kanal; Elbe-Havel-Kanal; Roßdorfer-Altkanal; Mittelland-Kanal und letztlich ein halbes Dutzend Schleusenkanäle auf der Weser, welche auch schon mal 10 Kilometer lang sein können.

Der Landdienst (Neffe von Peter) war eigentlich nur zur Rücküberführung des Bootes eingeplant. Nachdem aber seit dem zweiten Tag recht unrühmlich mein Hinterteil schmerzte,  und von den mitgeführten sechs Rollsitzen keiner mehr Abhilfe schaffen konnte, wurde der Landdienst nach Haldesleben gebeten, wo auf dem Kanugelände unser Zelt stand. So erhielten wir zwei Spezialrollsitze die uns von da an etwas Erleichterung verschafften.

Auf den etwa 220 Kilometern die wir den Mittellandkanal befuhren, trafen wir viele Sportfreunde und kurz gesagt, alle Unbekannten und Rudersleute waren hilfsbereit, freundlich und sorgten immer für Übernachtungsmöglichkeiten obwohl wir nie angemeldet waren. Danke an Alle, einschließlich dem Motorbootclub Fallersleben, wo wir schon zum Zweiten mal mit frisch gezapftem Bier versorgt wurden. Und das Gratis!
Auch bei Normanis-Braunschweig gab es Bier von Manfred und Bodo.

Auf dem Kanal sieht man jederzeit mehrere Brücken gleichzeitig. Etliche Flüsse, Bäche und Straßen führen unter ihm hindurch. Peter, der als Einsmann die komplette Strecke von Anfang bis Ende durchstöberte passte auf wie ein Luchs. So halten wir häufig an Buchten oder breiten Stellen an, um einer Begegnung mehrerer Transportschiffe auszuweichen. Irgendwann neigte sich unsere Fahrt zumindest auf dem Mittellandkanal ihrem krönendem Abschluss. Der Trogbrücke von Minden.

Diese ist einfach und ohne irgendwelche Anweisungen oder Genehmigungen  befahrbar. Ja es ergab sich sogar, dass die alte Brücke ausschließlich nur für Ruder- und Paddelboote freigegeben ist, während die Schifffahrt ungehindert über den Trogbrückenneubau fahren kann. Wir konnten uns kaum sattsehen an diesem großartigen Bauwerk.


Also ruderten wir über die alte Trogbrücke, dann über die Neue wieder zurück und wieder über die Alte, an dessen Ende sich der Ruderverein von Minden schmiegt.
Von dort aus erkundeten wir die gesamte Anlage noch einmal zu Fuß. In Sichtweite ging es gleich danach durch die wunderschöne Schachtschleuse von Minden nach unten zur Weser, die wir ja gerne überquert hatten. Für die letzten 150 Kilometer auf der Weser war noch eine knappe Woche übrig, und wir plagten unser Sitzfleisch mit eher kleinen Etappen. In den Rudervereinen Stolzen, Nienburg und Hoya wurden wir kurzfristig und herzlich aufgenommen. Alle genannten Städte haben wundervolle intakte Altstädte und wurden von uns kulinarisch getestet.
Als letzte Übernachtung vor Bremen hatten wir den RV-Achim als Geheimtipp aus dem Ärmel gezaubert. Beim Anlegen in dessen kleiner Bucht, ergab  es sich, dass die Deiche hier im Norden schon recht hoch sind. Die Treppenstufen sahen aus als würden sie direkt ins Walhalla führen, nur etwas steiler als diese. Also fuhren wir noch einen Kilometer weiter und machten beim Segel- und Paddelverein Achim fest. Auch hier steile Wände. Mit letzter Kraft unter Knurren und Murren wird der Iltis auf den Campingplatz geschleppt. Ich stecke mein Flagge ins Heck, damit Jugendliche in Feierlaune nicht mit dem Auto drüberfahren.

Alles geht Gut.
Bei der letzten Etappe liegen wir vor der Weser-Gezeitenschleuse. Rote Ampel. Riesige Freizeitschiffe fahren trotzdem ein. Wir dann auch. „Langsamste Schleuse Deutschlands“ sagt man uns.

Ein älterer Herr im James Bond Look rät mir ihn vorbeizulassen damit uns nichts passiert. Ich rate ihm lieber hinter uns zu bleiben, damit IHM nicht passiert. Irgendwann sind wir durch die Schleuse und rudern in der Augusthitze die letzten vier Kilometer bis zum Bremer Ruderclub-Hansa.
Jetzt haben wir alle Zeit der Welt.

Jedes Brett und jeder Gegenstand wird aus dem Boot genommen. Wir holen einen Wagen. Der völlig leere Iltis wird aus dem Wasser genommen - ist doch gar nicht so schwer.
Im BRC-Hansa treffen bald erste Leute ein. Das Haus beherbergt eine gut funktionierende Wirtschaft. Auch in den beiden Nachbarvereinen ist was los. Es wird gerudert. Irgendwo fehlt ein Ruderer im Achter. Ich verpetze Peter und so muss er im Rennachter eine ordentliche Trainingseinheit absolvieren. Und das in der Gluthitze und den gerade erst geruderten 540 Kilometern. Übrigens - ohne einen Tropfen Regen.
in Bremen angekommen

Der Landdienst kann uns erst am Wochenende abholen, so dass wir noch drei Tage Zeit haben die Stadt Bremen zu erkunden. Auch hier wieder eine überraschend schöne Altstadt. Auffallend viel Fahrradverkehr führt über ein gut ausgebautes etwas verwirrendes Netz von Radwegen. Nach insgesamt zwei Wochen wurde dann am Samstag der Iltis und seine Mannschaft abgeholt. Noch eine Woche später als die Schmerzen nachliessen, konnte ich dann auch sagen „gut das man’s mal gemacht hat“!


2016 © Marian (Keule) Michael

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